Von den Anfängen eines geordneten Brandschutzes auf dem "platten Land" - 1830 bis 1901 - Von der Gemeinde-Löschmannschaft zur Pflichtfeuerwehr

Bei dem nachfolgenden reinen Textbeitrag handelt es sich um einen Auszug aus der im August 2010 anlässlich des 100-jährigen Bestehens herausgegebenen Chronik des Kreisfeuerwehrverbandes Heidekreis e. V.  (damals noch Kreisfeuerwehrverband Soltau-Fallingbostel e. V.).

In diesem Artikel geht es um die Anfänge eines geordneten Brandschutzes auf dem "platten Land" vor Einführung der Pflichtfeuerwehren. Die Bezeichnung "plattes Land" war damals für die ländlichen Gemeinden gebräuchlich.

Der Text wurde unverändert aus der Chronik übernommen. Lediglich an einer Stelle wurde der Name des Landkreises Soltau-Fallingbostel an den heutigen Namen Heidekreis angepasst.

Auszug aus der Chronik: Gott zur Ehr - dem Nächsten zur Wehr 100 Jahre Kreisfeuerwehrverband Soltau-Fallingbostel (heute Heidekreis) -

Die Erfolgsgeschichte einer Bürgerinitiative und die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Soltau-Fallingbostel (Heidekreis)

© Autor der Chronik: Ralf Quietmeyer

I. Von den Anfängen eines geordneten Brandschutzes auf dem "platten Land"

1830 bis 1901

Von der Gemeinde-Löschmannschaft zur Pflicht-Feuerwehr

In früheren Jahrhunderten gab es in den Städten und Dörfern nur einen recht ungeordneten Brandschutz. Dadurch kam es immer wieder zu Feuersbrünsten, die ganze Dörfer und Städte einäschern konnten.

So brach zum Beispiel in Hamburg in der Nacht vom 4. zum 5. Mai 1842 in der Deichstraße 44 der Große Hamburger Brand aus. Obwohl das Feuer von den Nachtwächtern schnell bemerkt wurde, gelang es den herbeigeeilten Spritzenleuten nicht, es zu löschen oder sein Übergreifen auf weitere Häuser zu verhindern.

Anfangs waren die nicht betroffenen Einwohner noch unbesorgt. Denn obwohl am Morgen des 5. Mai, dem Himmelfahrtstag des Jahres 1842, schon ein großer Teil des Nikolaiviertels brannte, gingen viele noch zum morgendlichen Hauptgottesdienst in die Nikolaikirche. Auch mittags besuchte man noch einen weiteren, letzten Gottesdienst. Gegen 4 Uhr nachmittags geriet dann der Turm der Nikolaikirche in Brand, der nicht gerettet werden konnte. Mit dem Einsturz des Turmes fing dann auch das Kirchenschiff Feuer.

Der Brand wütete bis zum 8. Mai 1842 und zerstörte große Teile der Hamburger Altstadt. Ein Viertel des damaligen Stadtgebietes wurde verwüstet. 51 Menschen kamen ums Leben, die Zahl der Obdachlosen wird auf 20.000 geschätzt. 1.700 Häuser in 41 Straßen wurden ebenso vernichtet wie drei Kirchen (darunter die Hauptkirchen St. Nicolai und St. Petri), das Rathaus, die Bank, das Archiv, die alte Börse und 102 Speicher.

Dieser Große Hamburger Brand erschütterte auch die Menschen in der Lüneburger Heide. Denn auch die Ortschaften hier wurden Jahrhunderte lang immer wieder von gewaltigen Feuersbrünsten heimgesucht, wie dieses Beispiel belegt:

Am 6. Juli 1757 brannte die Stadt Walsrode. Wie verheerend das Feuer gewütet haben muss, geht aus dem Bericht des Bürgermeisters (Commissarius) vom 7. Juli 1757 an den Landdrosten in Rethem hervor:          (An das)

                 Amt Rethem

Das klägliche Schicksal, welches am 6. d. M. diesen Ort betroffen, haben wir Execellence zu berichten für unsere Schuldigkeit erachtet. Dieselben werden vergeben, daß dieses nicht eher erfolget, da die Bestürzung und das mich selbst so hoch betroffene Unglück mir kaum so viel verstatten wollen, meine Gedanken zu samlen Es war des Abends um 7 Uhr, da by Friedr. Fricken Feuer aufging. Die Gewalt der Flammen griff aller Anstalten ohngeachtet dermaßen um sich, daß in weniger denn 5 Stunden 226 Häuser, das Raht- und Pfarr-Witwen-Haus und der freie Sterin`sche Hof in die Asche gelegt wurden. 

Die Geschwindigkeit der Flammen hat verursacht, daß wenige ein Vieles von ihren Effecten haben retten können, welches besonders diejenigen betroffen, die dem Hause, in welchem das Feuer entstanden am nächsten wohnten, worunter auch ich der Commissarius mit begriffen. Man hat diese kläglichen und höchst bedauerns würdigen Umstände schon einer hohen Königl. Regierung berichtet und um derselben hohe Vorsorge und besondere Gnade gegen unsere bedrängten Einwohner unterthänigst angeflehet. Diese Verlassene ersuchen Execellence gleichfalls durch mich auf das inständigste bey Gelegenheit ihnen ihre Vorsorge und besondere Hülfe, da dieselben aller Lebens Mittel beraubet, angedeihen zu lassen. 

Gnädige und Hochgebietende Herren.

Die Geschwindigkeit, welcher die grausame Glut an unseren Häusern wütete, war so groß, daß man nicht im stande war, seine wenigen Sachen der Wut der Flammen zu entreißen, noch die etwa vorrätigen Lebens Mittel in Sicherheit zu bringen. Der größte Haufe der hiesigen Einwohner muß bey einem so großen Unglück zugleich mit in die äußerste Hungers Noth fallen, wenn Eure Execellence nicht geruhen mögten, beim hiesigen Königl. Amte Walsrode einige 50 Rthlr. zu assigniren, von welchen denen nothleidenden so viel gereichet werde als zur Erwehrung des Hungers nötig sein mögte.

Wir verharren ut in Litteris.

Walsrode, den 7. July 1757

Aus einem Schreiben der Königl. Großbritannischen zur Churfürstl. Br. Lüneburg Regierung Verordnete Geheime Rähte an den Landdrost und Beambten zu Rethem vom 8. Juli 1757 ist zu erfahren, warum sich der Brand vermutlich so verheerend schnell ausbreiten konnte:

Unsere Ex.

Wir haben aus Eurem Bericht vom 7. hujus das unglückliche Schicksal des Städtleins Walsrode mit vieler Empfindungen vernommen. (…)

Nächstdem erfordert die Nothwendigkeit, daß die Brandstätten bald möglichst aufgeräumt werden, um desto ehender zu Wiederaufbauung der aller nothwendigsten Gebäude so zu Einschäuerung der Früchte erforderlich sind, gelangen zu können.

(…)

Der dritte punct betrifft die Wiederaufbauung dieses Städtchens.

Da das gegenwärtige Unglück wohl führnehmlich dadurch zu der Größe gediehen ist, daß die Häuser gar zu enge in einander gebauet, und ein jeder seinen Misthaufen, obgleich gegen die desfals ergangene Verfügungen, für (vor, der Verfasser) dem Hause an der Straße liegen gehabt, wodurch bei der gegenwärtigen Dürre das Feuer desto leichter von einem Orte zum anderen ausgebreitet werden können, so erfordert die ohnumgängliche Nothwendigkeit, das Städtlein zu erweitern und die Häuser so viel weiter aus einander setzen, und mit benöthigtem Hofraum vorsehen zu lassen. (…)

In den Berichten über den Brand von Walsrode ist mit keinem Wort etwas über die Löscharbeiten gesagt worden. Anscheinend waren diese gar nicht möglich. Außerdem blieb den Einwohnern nur wenig Zeit, um überhaupt noch etwas aus den brennenden Häusern zu retten.

Dem Brief der Geheimen Rähte ist zu entnehmen, dass es damals zwar auch schon Brandschutzbestimmungen gab, die anscheinend aber von den Bewohnern nur wenig beachtet wurden. Außerdem gab es vermutlich keine gut organisierten und dadurch effektiven Löscharbeiten.

Diesen unorganisierten Brandschutz begann man erst im 19. Jahrhundert nach und nach in geordnete Bahnen zu lenken. Darüber geben verschiedene Dokumente Auskunft, die z. B. im Niedersächsischen Staatsarchiv in Hannover verwahrt werden. Nachfolgend einige Auszüge aus alten Vorschriften zum Brandschutz auf dem Lande, wobei der Originaltext in Kursivschrift gesetzt ist.

Eine erste umfangreiche Verordnung ist die

Feuer-Ordnung für Flecken und

das platte Land des Landdrostei-Bezirks Lüneburg

vom 06. August 1830.

In 90 Artikeln ist darin alles über das Verhalten zum Vorbeugen der Feuersgefahr, betreffend der Löschungs- und Rettungs-Anstalten sowie das dieserhalb angestellte Personal, Verhalten bei einem ausbrechenden Feuer und Maßregeln nach einer gelöschten Feuerbrunst sowie einer Übersicht der für die Verletzung der Feuer-Ordnung bestimmten Geld-Strafen geregelt. 

Aus der Einleitung dieser Feuer-Ordnung geht hervor, dass es schon vor 1830 Vorschriften gab, die den Brandschutz regelten. Diese älteren Vorschriften wurden mit der Feuer-Ordnung von 1830 nicht nur erneuert, sondern auch ergänzt. 

Jede Feuerstelle musste mit Feuerlöschgerät im brauchbarem Zustand versehen sein. Dazu gehörten neben gewöhnlichen Wassereimern, ein lederner Feuereimer und eine Hausleiter sowie ein kleiner Feuerhaken (12 bis 16 Fuß lang) und eine Wassertonne oder Tubben, nicht unter sechs Eimer haltend.

Sämtliche Ortschaften von 15 bis 20 Feuerstellen hatten auf gemeinschaftliche Kosten wenigstens zwei lange Feuerleitern und zwei mit Eisen beschlagene große Feuerhaken sowie ein bis zwei Wasserkufen auf Schleifen anzuschaffen und gehörig zu unterhalten.

Kleinere Ortschaften unter 15 Feuerstellen hatten ebenfalls, soweit deren Kräfte reichen, für die Anschaffung gemeinschaftlicher Löschungsgeräte zu sorgen. (Artikel 38 und 39).

Artikel 56 besagte, dass auf das erste Zeichen eines entstehenden Brandes jeder männliche Einwohner des Ortes vom 16ten bis zum 60sten Jahre ohne Verzug nach der Brandstätte sich hinbegeben muss. Ausgenommen waren von dieser allgemeinen Verpflichtung zur Hülfsleistung nur Kranke und Gebrechliche, sowie die Geistlichkeit, Schullehrer, Ärzte, Wundärzte, die vorhandenen Officianten und die Bewohner der an beiden Seiten der Brandstätte zunächst belegenen Häuser.

Sogar sämtliche Dienstmädchen des Ortes mussten sich an der Brandstelle einfinden, um zum Beispiel Wasser herbeizutragen, Erde bzw. Schnee auf die Flammen zu werfen oder die in Gefahr befindlichen brennbaren Gegenstände hinwegzutragen. Dagegen durften sich Kinder unter 14 Jahren, ebensowenig als alte abgelebte oder sonst zum Helfen untaugliche Personen nicht in der Nähe des Feuers blicken lassen.

Im Artikel 44 war bestimmt, dass das zur Bedienung der Feuersprützen erforderliche Personal von der Obrigkeit bestellt und immer vollzählig zu halten ist.

Sprützenmeister sollten thunlichst rüstige, durch Einsicht und Entschlossenheit sich qualifizierende Männer sein, welche wo möglich in der Lage sich befinden, daß sie die ihnen anvertraute Sprütze beim Transporte nach auswärtigen Feuersbrünsten zu Pferde begleiten können.

Dagegen sind zu Rohrführern die am Orte der Sprütze wohnhaften Zimmerleute, Dachdecker und Maurer und zu Bindemeistern die Schuhmacher, Sattler und Riemer und zu Drückern kräftige Handarbeiter vorzugsweise zu nehmen.

Hier weitere Auszüge aus der Feuer-Ordnung von 1830:

Artikel 45 (3): Für die Ordnung bei dem Ge­brauche der Feuersprützen, so wie für die fortdauernd untadelhafte Beschaffenheit derselben und aller dazu gehörenden Geräthschaften ist der Sprützenmeister so lange verantwortlich, als die nötigen Mittel ihm nicht versagt werden. 

Artikel 46: Die Gemeinde-Feuersprützen sind zum wenigsten zwei Mal im Jahre, und außerdem jedes Mal innerhalb 14 Tagen, nachdem sie bei einer Feuersbrunst gebraucht worden, an einem Sonntag Nachmittag nach beendigtem Gottesdienste zu probieren, damit die etwa entstandenen Schadhaftigkeiten zeitig entdeckt werden. 

Außer den betreffenden Unterbedienten haben die angestellten Sprützenleute auf vorgängige Ladung beim Probieren sich einzufinden. 

Artikel 48: Da die Feuersprützen zur Unterdrückung eines Brandes den wesentlichsten Dienst leisten, so werden die Gemeinden zu deren Anschaffung hierdurch dringend aufgefordert.

Bei Nachbarschaftshilfe galt Artikel 50 (4): Dieselben (= mit Pferden versehene Einwohner des Ortes, der Verfasser) müssen zugleich an den benachbarten Orten, durch welche sie auf dem Hinwege nach der herbeizurufenden Sprütze passieren, wenigstens einige Einwohner von dem ausgekommenen Feuer in Kenntnis setzen und diese, ohne indeß sich weiter aufzuhalten, zu der allgemeinen Hülfsleistung und weiteren Verbreitung der mitgetheilten Nachricht auffordern.

Artikel 51: Ferner gehören zu dem, bei Feuersbrünsten mit bestimmten Geschäften beauftragten Personal: 

1) Die Anführer der Hülfsleute, an welche die Letzteren bei einem entstandenen Brande sich zu halten haben, und deren Anweisungen sie zunächst Folge zu leisten haben.

2) Die Berger der Effecten denen die Verpflichtung obliegt, aus den brennenden und den der Gefahr zunächst ausgesetzten Gebäuden das Vieh und die Mobilien möglichst zu retten, in Sicherheit zu bringen und zu bewahren.

Artikel 54: Sobald ein Feuer ausbricht ist ein jeder, der es gewahr wird, es sey in seinem eigenen Hause oder in dem seines Nachbars, schuldig die öffentliche Hülfe in Anspruch zu nehmen, damit das Feuer, ehe es überhand nimmt, bei Zeiten gedämpft werden könne.

Der Besitzer des Hauses, in welchem ein Brand ausbricht, hat in dieser Hinsicht bei Nacht die etwa verschlossene Hausthür gleich aufzuschließen. Sollte die Hausherrschaft das entstandene Feuer verheimlichen wollen, so ist dessen ungeachtet das Gesinde verbunden, die Nachbarn ohne Zeitverlust zu Hülfe zu rufen.

Artikel 66 (2): Es ist nicht rathsam, in die Flamme selbst zu sprützen, weil der durch den Wasserstrahl veranlaßte Zug zur Verbreitung des Feuers beiträgt; vielmehr ist das Rohr der Sprütze hauptsächlich auf diejenigen Theile des brennenden Gebäudes zu richten, welche das Feuer zunächst zu ergreifen droht.

Artikel 66 (3): Die Schläuche dürfen nicht quer über die Straße gelegt werden, weil sonst die Hülfsleistenden darauf treten und zugleich die Passage der Wasserkufen gehemmt wird; sollte solches indeß der Localität wegen nicht zu vermeiden sein, so sind jedesmal, sobald eine Wasserkufe passieren muß, die Schläuche so hoch aufzuheben, daß selbige darunter wegfahren kann.

Artikel 67: Die Leitung des Löschens übernimmt zunächst der Officiant, welcher die Polizei über die Brandstelle zu handhaben, und ungesäumt an Ort und Stelle sich einzufinden hat.

Selbiger führt die Direction so lange, bis daß der ihm vorgesetzte Unterbediente eintrifft, der alsdann an seine Stelle tritt. Sobald aber eine obrigkeitliche Person anlangt, so geht die Leitung des Geschäfts bis zu der gänzlichen Dämpfung des Feuers oder bis zur Ankunft der Local-Obrigkeit auf diese über.

Artikel 68 (2): Der Dirigent muß insbesondere auch darauf aufmerksam seyn, daß keiner der Hülfsleistenden beschädigt und somit ein Opfer seines Eifers werde.

Artikel 68 (3): Es sind daher die Löschenden sowohl, als die Rettenden von den Orten, wohin Balken oder Steine aus dem brennenden Gebäude fallen, zeitig zu entfernen. Ebenfalls ist die gehörige Vorsicht zu beobachten, wenn vielleicht die zu rettenden Sachen oben aus den Fenstern und Luken herab gelassen werden müssen.

Artikel 71 (2): Ein Schornstein-Brand wird am sichersten und zuverlässigsten gehoben, wenn der vorhandene Schieber gleich zugeschoben, oder von oben herab Wasser in die Röhre hineingegossen, oder mit Vorsicht unten auf dem Heerde gestoßener Schwefel über glühende Kohlen gestreut wird.

Artikel 72: Aus den schon brennenden und den in großer Gefahr schwebenden Häusern sind alle Gegenstände, welche die schnelle Verbreitung des Feuers zu befördern pflegen, zeitig zu entfernen; als namentlich der etwa im Rauchfange hängende Speck, Schinken und Würste, so wie auch Flachs, Hanf, Stroh, Heu u. s. w.

Artikel 77: Der Dirigent der Löschungs-Anstalten hat dafür zu sorgen, daß während des Brandes in den Krügen und Wirthshäusern keine Excesse vorfallen, und zu diesem Ende nach jedem derselben zwei zuverlässige Leute als Aufseher zu senden.

Artikel 84: Wenn gleich die Erfahrung zeigt, daß polizeiliche Verfügungen zum Unterbringen der Bewohner abgebrannter Häuser in dem hiesigen Landdrostei-Districte bei dem allgemein herrschenden mildthätigen Geiste überflüssig sind, indem diese Unglücklichen von den benachbarten Ortschaften stets mit der rühmlichsten Bereitwilligkeit aufgenommen werden, so versteht es sich dennoch von selbst, daß nach einer Feuersbrunst die betreffende Obrigkeit sich davon zu überzeugen hat, daß keinem der Abgebrannten das benöthigte Obdach und die für den Augenblick erforderlichen Subsistenzmittel fehlen.

Artikel 87 (1): Gleich nach gedämpftem Feuer hat die competente Obrigkeit der Veranlassung desselben sorgfältig nachzuforschen und zu diesem Ende die Bewohner des Hauses, woselbst der Brand entstanden ist, umständlich abzuhören.

Soweit die Auszüge aus der Feuer-Ordnung von 1830. Diese wurde 1865 aufgehoben und ersetzt durch ...

... die von Georg dem Fünften, von Gottes Gnaden König von Hannover, Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, Herzog von Cumberland, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg u. u. am 14. November 1865 erlassene Feuerordnung für das Fürstenthum Lüneburg und die vormals Lauenburgschen Landestheile, mit Ausnahme der selbständigen und amtssässigen Städte.

Diese Feuerordnung umfasste nur noch 44 Paragraphen. Darin waren unter anderem in den §§ 31 bis 34 Feuervisitationen in den Gebäuden vorgeschrieben, zu deren Zweck die Hausbewohner die gewählten Feuergeschworenen einzulassen hatten.

Originaltext-Auszüge aus den §§ 36 bis 39 dieser Feuerordnung:

§ 36 Feuerlöschanstalten

Jede Gemeinde ist verpflichtet, die zur Feuerlöschung erforderlichen Einrichtungen zu treffen und zu unterhalten. (...) 

§ 37 Feuerlöschdienst

Jeder männliche Gemeindeangehörige ist zur Hülfeleistung bei Bränden im Gemeindebezirke verpflichtet.

Ausgenommen sind: 

1) alle körperlich oder geistig Unfähige, sowie Personen unter 18 und über 60 Jahren,

2) Aerzte, Wundärzte und Apotheker,

3) Geistliche, Kirchen- und Schuldiener,

4) Personen, welche durch ihren öffentlichen Dienst behindert werden,

5) Militairpersonen im activen Dienste,

6) Agenten der Privat-Feuerversicherungs-anstalten,

7) die Bewohner der Gebäude in der Nähe der Brandstätte.

Die zur Bedienung der Spritzen und sonstigen Löschgeräthe erforderliche Mannschaft ist nach näherer, von der Obrigkeit mit Genehmigung der Landdrostei zu ertheilender Anweisung von der Gemeinde zu wählen. Die Ablehnung der Wahl steht nur dem nach Vorstehendem von der Hülfeleistung Befreiten zu.

Die Dauer des Dienstes ist eine dreijährige, sofern nicht hierüber die Gemeinde mit Genehmigung der Obrigkeit ein Anderes beschließt. Der Austretende kann wieder gewählt werden, ist jedoch zur Wiederübernahme des Dienstes erst nach Ablauf von drei Jahren seit dem Dienstaustritte verpflichtet.

Der Dienst ist unentgeltlich zu versehen, (...).

§ 38 Brandlöschung

Jeder, welcher den Ausbruch eines Feuers wahrnimmt, ist verpflichtet, die Kunde davon sofort durch Hülferuf zu verbreiten.

Beim Ausbruch eines Feuers sind unverzüglich durch die hierzu Berufenen die üblichen Feuersignale (Läuten der Sturmglocke, Blasen der Nachtwächter, Trommelschlag etc.) zu geben; auch ist vom Gemeindevorstande der Obrigkeit schleunigst Anzeige zu machen (...)

§ 39 Fortsetzung

Die Leitung der Brandlöschung sowie der Rettung von Personen und Sachen steht zunächst der Obrigkeit, bis zu deren Eintreffen jedoch, unter Mitwirkung des zuständigen an Ort und Stelle befindlichen Amtsunterbedienten (§ 70 der Landgemeinde-Ordnung) dem betreffenden Magistratsmitgliede bezw. Gemeindevorsteher und, falls auch dieser nicht anwesend, dem im Dienste ältesten Beigeordneten zu.

Soweit die Auszüge aus den gesetzlichen Vorschriften Mitte des 19. Jahrhunderts, einer Zeit, als es in der Lüneburger Heide noch keine Freiwilligen Feuerwehren gab. Doch dies sollte sich dann bald ändern.

Zunächst kam es allerdings zu politischen Veränderungen. Infolge des Deutschen Krieges 1866 annektierte Preußen unter anderem auch das Königreich Hannover, das vorher mit Österreich verbündet war. Es wurde zur Provinz Hannover des Königreiches Preußen und blieb auch nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 preußisch. Damit hatte nun Berlin das sagen.

Die erste ländliche Freiwillige Feuerwehr war nachweislich die Feuer-Lösch- und Rettungsschaar zu Bardowik, gegründet 1867. Im gleichen Jahr wurde auch in Uelzen eine Freiwillige Feuerwehr gegründet. Somit war Uelzen die erste Stadt der Heide mit einer Freiwilligen Feuerwehr. Mit der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Soltau im Jahr 1868 gab es die erste freiwillige Feuerwehr in einer Stadt im heutigen Landkreis Heidekreis. Wie sah es aber in den kleineren Dörfern der Lüneburger Heide mit der Feuerwehr aus?

Der “Denkschrift aus Anlaß des in Hannover vom 28. bis 30. Juli 1888 stattfindenden XIII. Deutschen Feuerwehrtages zur Geschichte des Feuerlöschwesens und der Feuerversicherung in der  Provinz Hannover” ist folgendes Zitat entnommen:

“In Dörfern, welche Feuersprützen, aber keine Feuerwehr haben, besteht noch die Gemeindelöschmannschaft aufgrund der alten Feuerordnung bezw. der Bezirks-Polizei-Verordnung über das Feuerlöschwesen. Auch diese können den Anforderungen genügen, so daß diese Gemeinden nicht zur Bildung von Freiwilligen Feuerwehren geschritten sind.”

1898 trat am 01. Januar eine neue Feuerordnung für den Regierungsbezirk Lüneburg in Kraft. Darin wurde empfohlen, dass die jährliche Feuerschau in kleineren Gemeinden durch den Gemeindevorsteher vorgenommen werden sollte. Die Gemeinden wurden eindringlich ermahnt, darauf zu achten, dass in jedem Gebäude mit Feuerstelle auch Feuereimer und auf jeder Hofstelle zusätzlich eine Feuerleiter und ein Feuerhaken bereitgehalten werden.

Nach und nach wurden die gegründeten Freiwilligen Feuerwehren als integrirender Theil des Feuerlöschwesens in ihren Gemeinden amtlich anerkannt. Diese amtliche Anerkennung hatte zur Folge, dass die Mitglieder der Wehr bei der Ausübung des Dienstes den Schutz des § 113 des Reichsstrafgesetzbuches genossen. Dieser Paragraph besagte, dass wer Handlungen gegen Personen, welche zur Unterstützung eines Beamten zugezogen waren oder gegen Mannschaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes begeht, mit Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren bestraft werden konnte. Die Ortsfeuerwehren waren Schutzwehren im Sinne dieses Paragraphen.

1901 kam es in den Gemeinden zu einschneidenden Veränderungen hinsichtlich des Brandschutzes. Diese kündigten sich in beiden Landkreisen – Soltau und Fallingbostel – auf unterschiedliche Weise an.

Im Landkreis Soltau ist einer an die Gemeindevorsteher gerichteten Bekanntmachung des Landrates in der Amtlichen Beilage der Böhme-Zeitung vom 23. August 1901 zu entnehmen, in welchen Gemeinden des Kreises 1901 bereits Freiwillige Feuerwehren bestanden. Neben der Stadt Soltau sollten nämlich die Gemeindevorsteher aus Bispingen, Munster, Schneverdingen, Hützel und Heber dem Landrat berichten, ob die bestehenden Freiwilligen Feuerwehren zur Erfüllung eines den zu stellenden Anforderungen voll genügenden Feuerlöschdienstes ausreichen.

Alle anderen Gemeindevorsteher mußten berichten, ob ihre Gemeinde zur Bildung einer eigenen Ortsfeuerwehr imstande oder ob dies nur bei Vereinigung mit anderen Gemeinden möglich sei.

Im Landkreis Fallingbostel verschickte der Landrat an alle Gemeinden einen Brief mit fünf Frageblöcken, die kurzfristig zu beantworten waren:

Fallingbostel, den 10. September 1901

Die Magistrate, Guts- und Gemeindevorsteher des Kreises weise ich hierdurch besonders auf die Polizeiverordnung des Herrn Oberpräsidenten vom 16. Juli d. Js., betreffend die Regelung des Feuerlöschwesen, (Amtsblatt für 1901, Stück 33, Seite 185 ff.) hin. Die Polizeiverordnung wird in Kürze auch im Kreisblatte veröffentlicht werden. Sie wollen sich mit den Bestimmungen dieser Verordnung genau vertraut machen und auch dafür Sorge tragen, daß die Verordnung in Ihrer Gemeinde in ortsüblicher Weise bekannt gemacht wird.

Um eine möglichst baldige Durchführung der Polizeiverordnung zu bewerkstelligen sind mir folgende Fragen genau und erschöpfend in der nachfolgend angegeben Nummernfolge, auf die im Berichte Bezug zu nehmen ist, zu beantworten. Die dazu gehörigen Paragraphen der Polizeiverordnung sind bei jeder Frage in Klammern angegeben.

1, Welche Feuerlöschgerätschaften sind vorhanden und in welchem Zustande befinden sie sich? (§§ 15, 16 und 17, insbesondere § 15, Absatz 1 und 2.) 

2, Wird Befreiung von der Vorschrift, daß in der Gemeinde eine Ortsfeuerwehr errichtet wird, erbeten? In diesem Falle sind zugleich Vorschläge über eine anderweitige Regelung des Feuerlöschwesen zu machen. (§ 1, insbesondere Absatz 4.) 

3, Welche dicht bei einander gelegenen Gemeinden wollen zusammen eine gemeinsame Pflichtfeuerwehr bilden? Etwaige Vorschläge sind nur in Übereinstimmung bzw. nach Rücksprache mit der betreffenden Nachbargemeinde zu machen. (§ 6 Absatz 2). 

4, Wird im Falle des Vorhandenseins einer freiwilligen Feuerwehr Befreiung von der Vorschrift, daß eine Pflichtfeuerwehr errichtet wird, beantragt?

Ist, bejahenden Falles, die freiwillige Feuerwehr bereit, ihre Statuten nach § 9 der Polizeiverordnung umzuarbeiten und mir zur Genehmigung vorzulegen? 

Ist etwa die Bildung einer freiwilligen Feuerwehr in Aussicht genommen? Zu welchem Zeitpunkte event.? Erfolgt die Gründung zu dem Zwecke, um die Bildung einer Pflichtfeuerwehr zu ersparen? (§§ 9 und 10, 12, insbesondere § 12, Absatz 3) (Hervorhebungen vom Verfasser) 

5, Wird der Antrag gestellt, zu genehmigen, daß die Bildung der Abteilungen innerhalb der Feuerwehr anders gestaltet oder ganz unterlassen wird? Welche Gründe sind für einen solchen Vorschlag maßgebend? (§ 1, Absatz 1 und 3.)

Die Erledigung dieser Verfügung erwarte ich bis spätestens zum 21. September d. Js.

Auf eine pünktliche Einhaltung dieser Berichtfrist muß ich ganz besonders Gewicht legen.

            Der Landrat

Anlass für die beiden Abfrageaktionen bei den Gemeinden war die zuvor veröffentlichte Polizei-Verordnung betreffend die Regelung des Feuerlöschwesens für die Provinz Hannover, die am 01. April 1902 in Kraft trat.

Diese Verordnung führte dazu, dass fast in allen Gemeinden eine Pflichtfeuerwehr aufgestellt werden musste - auch in denen es schon eine Freiwillige Feuerwehr gab. Nur wenn die Freiwillige Feuerwehr zur Sicherstellung des Brandschutzes ausreichte, war keine Pflichtfeuerwehr erforderlich. Gemeinden mit sehr wenigen Einwohnern waren ausgenommen. Sie mussten den Brandschutz aber auf andere Weise, z. B. durch eine Spritzen- und eine Ordnungsmannschaft, sicherstellen.

Mehr zu dieser Polizei-Verordnung im nächsten Kapitel.

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